Wolf-Dieter Batz am 28.6.1984:Struktur und Organisation

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Wolf-Dieter Batz: „Zur Modellbildung in der Gedächtnisforschung“

Struktur & Organisation

Bei der gegenseitigen Abgrenzung der Begriffe 'Organisation' und 'Struktur' stütze ich mich im Wesentlichen auf die Verwendungsweisen die der chilenische Neurobiologe Humberto MATURANA in seinen Publikationen[1] vorgeschlagen hat.

Nach dessen Ansicht ist die Vermengung von Struktur und Organisation so lange kein gravierendes operationales Problem, als man sich mit lebenden Systemen als Einheiten beschäftigt, da diese als autonome Systeme ihre Identität durch ihre Organisation im physikalischen Raum bestätigen, und dadurch erfordern, diese Identität anzuerkennen solange sie leben.

Danach dürfte einem Psychologen diese Unterscheidung nicht weiter wichtig sein, da er lebende Systeme sehr wohl als Einheiten betrachtet, wobei die für lebende Systeme charakteristische 'Eigendynamik', entsprechend der Methode als 'Fehlervarianz' bezeichnet, unberücksichtigt bleibt.

Maturana argumentiert aber ähnlich den GESTALT-Psychologen:

"Und doch hat diese Konfusion das Verständnis dafür erschwert, daß ein Ganzes eine Einheit ist, deren besondere Eigenschaften durch die Art erzeugt werden, in der sie aufgebaut ist, und nicht durch die Eigenschaften ihrer Einzelbestandteile."

Die Begriffe 'Struktur' und 'Organisation' sind in dem Umfang Synonyme, als sie sich auf Relationen zwischen den Bestandteilen eines Systems beziehen. Hinsichtlich ihrer Etymologie lassen sich jedoch gewisse semantische Unterschiede herausstellen, infolgedessen sie auf zwei verschiedene Aspekte der Konstitution eines Systems verweisen.

'Struktur' kommt vom lateinischen Verbum 'struere', das sich mit 'bauen' übersetzen läßt. Deshalb bezieht sich 'Struktur' ebenso auf die Relationen zwischen den Teilen, wie auch auf die Teile selbst, die ein Ganzes bilden. Zwei Systeme haben nach dieser Definition also dieselbe Struktur, wenn sie äquivalente Relationen zwischen äquivalenten Bestandteilen aufweisen.

Das Wort 'Organisation' leitet sich vom griechischen 'organon' ab, was soviel wie 'Instrument' bedeutet; es betont also den funktionellen Aspekt der Einzelteile, was deren Relationen untereinander gleichkommt. Es ist dabei belanglos welches Einzelteil welche Funktion hat. Zwei Systeme haben demnach die gleiche Organisation, wenn die sie als Einheit definierenden Relationen dieselben sind, egal in welchem Medium diese Relationen verwirklicht sind.

Es ist nun unmittelbar einsichtig, daß zwei Systeme trotz unterschiedlicher Struktur dieselbe Organisation aufweisen können. Die Identität eines Systems ist daher streng genommen durch seine Organisation bestimmt und bleibt solange unverändert, wie auch seine Organisation unverändert bleibt, unabhängig davon, ob das System ein statisches oder ein dynamisches ist, und unabhängig davon, ob die Struktur des Systems sich ändert oder nicht.

Diplomarbeit "Zur Modellbildung in der Gedächtnisforschung" bei Dr. A.Metraux, Prof. HJ Ahrens und Prof. M.Zimmermann
  1. vgl. insbes. Maturana,H.R.: Erkennen: Die Organisation und Verkörperung von Wirklichkeit. (1982) S.315