Hohe sittliche Bildung einer Nation

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Hohe sittliche Bildung einer Nation schließt vollkommene Anmut, Mitleid und Frieden ein; sie ist mit schmutzigen oder mechanischen Beschäftigungen unvereinbar, - unvereinbar mit Geldgier, Mißgunst, dem Druck der Angst, der Gleichgültigkeit gegen den Schmerz. Die Gefühllosigkeit der oberen Stände Europas gegen den Anblick des Leidens, der Unreinlichkeit und des Verbrechens bindet sie nicht nur in eine Verantwortlichkeit mit der Sünde, sondern auch in eine Schande mit dem Schmutz, welcher an ihren Schwellen modert. Die Verbrechen, welche tagtäglich in den Polizeihöfen von Paris und London aufgezeichnet werden (und viel mehr die unaufgezeichneten) sind eine Schande für den ganzen politischen Körper; sie sind im natürlichen Körper Krankheitsflecken auf der zarten Haut eines Gesichtes gleich, die die Zartheit selbst schrecklich machen. Der Schmutz und die Armut, die in unserer Mitte zugelassen oder nicht beachtet werden, entehren den ganzen sozialen Körper ebenso, wie es den natürlichen Körper entehren würde, wenn man das Gesicht wüsche, Hände und Füße aber schmutzig ließe. Christi Weise ist die einzig wahre: fange an den Füßen an, das Gesicht wird für sich selbst sorgen.

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Quelle

Munera Pulveris, John Ruskin, 1872 (Übersetzung von Maria Kühn, 1910).