Wolf-Dieter Batz am 28.6.1984:Zur Form

Wolf-Dieter Batz: „Zur Modellbildung in der Gedächtnisforschung“ |
- Zur Form
Für eine Darstellung wissenschaftlicher Aktivitäten aus dem Blickwinkel eines Historiographen bieten sich, für die Psychologie im Speziellen, die verschiedensten Möglichkeiten:[1]
- Biographien einzelner Forscher;
- Beschreibung und Analyse von Entwicklungen mit dem Ziel einer Rekonstruktion der Abfolge von Schulen und Theorien;
- Betrachtung der Rezeption bestimmter Schulen in Abhängigkeit von räumlichen, zeitlichen oder gesellschaftlichen Zusammenhängen;
- Evolution der Disziplin als Folge der Interaktionen von Wissenschaft und Gesellschaft;
- Formulierung einer 'Sozialpsychologie der Scientific Community'.
Der Weg, den ich für diesem Abschnitt gewählt habe, stellt eine Mixtur aus einigen der oben skizzierten Ansätze dar:
Den biographischen Ansatz (i) benutze ich, indem einzelne Entwicklungsstränge auf die Arbeiten einzelner Personen gestützt verfolgt werden.
Aus dem Ansatz (ii) leihe ich mir die Rekonstruktion als Mittel zur Plausibilitäts-Kontrolle.
In Anlehnung an (iv) interessiert mich die Evolution der Gedächtnisforschung; jedoch nicht als Folge wissenschaftlich-gesellschaftlicher Interaktionen, sondern als ein Produkt der Wechselwirkung verschiedener Zugangsweisen.
Zwei solcher Zugangsweisen stellen sich ad hoc wie folgt dar:
Zunächst läßt sich nach der funktionellen Organisation des Gedächtnisses fragen, was zu sogenannten 'wie-Fragen' führt.
Demzufolge sollte sich eine Entwicklung von Vorstellungen rekonstruieren lassen, die als Antwort auf Fragen dieser Kategorie interpretierbar sind. Es handelt sich dabei meist um Projektionen bekannter Zusammenhänge auf die, der Beobachtung eben unzugängliche, Organisation des Gedächtnisses.
Der zweite Aspekt wird durch die sogenannten 'wieviel-Fragen' erschlossen. Diese führen zu einer Geschichte der systematischen Evozierung und Quantifizierung von Gedächtnis-Phänomenen auf der Verhaltensebene. Im Vordergrund dieses Vorgehens steht nicht das Interesse an internen Gedächtnis-Prozessen, als vielmehr eine exakte Beschreibung des an der Oberfläche Sichtbaren. Das macht die Modellierung interner Prozesse überflüssig, kann aber zu immer komplizierteren Kategoriensystemen führen um aus Ergebnissen Erkenntnisse zu machen.
Der Beginn dieser Geschichte stellt nach allgemeiner Übereinkunft den Startpunkt der wissenschaftlichen Gedächtnisforschung dar.
Daraus ließe sich die Überzeugung ableiten, Quantifizieren (oder Messen) sei schon an sich wissenschaftlich, d.h. es genügte bereits, Wieviel-Fragen zu beantworten um einen Erkenntnisfortschritt zu erreichen.
Die Probleme, die eine solche Auffassung mit sich bringt, sollen im Abschnitt 'Wieviel' erörtert werden.
Sicherlich sind derartige Einteilungen zu einem gewissen Grad willkürlich, folgen sie doch den, dem jeweiligen Autor plausiblen, praktischen Erwägungen. Unterläßt man es jedoch, sie zu einer neuen analytischen Kategorie zu küren, so sind sie gleichermaßen hilfreich wie zulässig.
Diplomarbeit "Zur Modellbildung in der Gedächtnisforschung" bei Dr. A.Metraux, Prof. HJ Ahrens und Prof. M.Zimmermann
- ↑ vgl. Brozek,J. & Pongratz,L.J. (Eds.): Historiography of Modern Psychology. (1980) S.255-324