Katharina Kilzer über Horst Samson: Unterschied zwischen den Versionen
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Es war einmal ein Dichter, zu dessen großen und geheimnisvollen Sicherheiten es gehört, dass er in einer endlosen Steppe geboren und das Land, zwischen Akazien (Salcami) und Albrechtsflor, Arad, Temeswar, Hermannstadt und Bukarest seine Heimat ist, die er erlebt, beschreibt, erinnert. Es war einmal ein Diktator und eine Geschichte. Horst Samson ist 10 Jahre alt, als der Diktator die Macht übernimmt und während er aufwächst, zur Schule geht, studiert, arbeitet, schreibt, publiziert, wird der Diktator immer größer und mächtiger. Irgendwann fühlt er sich zu groß für das kleine Volk, verlangt mehr Untertanen und mehr Untertänigkeit. Die Menschen aber verzweifeln daran. Der Dichter poetisiert das in seiner Nocturne: | Es war einmal ein Dichter, zu dessen großen und geheimnisvollen Sicherheiten es gehört, dass er in einer endlosen Steppe geboren und das Land, zwischen Akazien (Salcami) und Albrechtsflor, Arad, Temeswar, Hermannstadt und Bukarest seine Heimat ist, die er erlebt, beschreibt, erinnert. Es war einmal ein Diktator und eine Geschichte. Horst Samson ist 10 Jahre alt, als der Diktator die Macht übernimmt und während er aufwächst, zur Schule geht, studiert, arbeitet, schreibt, publiziert, wird der Diktator immer größer und mächtiger. Irgendwann fühlt er sich zu groß für das kleine Volk, verlangt mehr Untertanen und mehr Untertänigkeit. Die Menschen aber verzweifeln daran. Der Dichter poetisiert das in seiner Nocturne: | ||
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Gedichte sind sein Zuhause und dieses wollen wir nun gemeinsam mit dem Dichter besuchen! Mit diesen schönen Gedichtzeilen, die wir alle verinnerlichen können, möchte ich die poetische Geschichte über Horst Samson beenden und danke für Ihre Aufmerksamkeit. | Gedichte sind sein Zuhause und dieses wollen wir nun gemeinsam mit dem Dichter besuchen! Mit diesen schönen Gedichtzeilen, die wir alle verinnerlichen können, möchte ich die poetische Geschichte über Horst Samson beenden und danke für Ihre Aufmerksamkeit. | ||
− | (Katharina Kilzer | + | (Katharina Kilzer am 8. Februar 2014 in Frankfurt am Main) |
Aktuelle Version vom 13. Dezember 2014, 18:55 Uhr
Aus der Laudatio anlässlich der Vorstellung des Gedichtbandes "Kein Schweigen bleibt ungehört".
Liebe Literaturfreunde, liebe Gäste und Freunde Rumäniens,
ich habe heute die besondere Ehre, Horst Samson vorzustellen, den man eigentlich nicht mehr vorstellen muss, denn wenn er seine Gedichte liest, erfährt man sehr viel mehr über diesen Dichter und die starke Ausdruckskraft seiner Poesie. Horst Samson, 1954 in Salcämi im Baragan geboren, in Albrechtsflor (Teremia Mica) aufgewachsen ging in Hermannstadt zur Schule, arbeitete bei der Neuen Banater Zeitung in Temeswar und war bis zu seiner Ausreise Redakteur der „Neuen Literatur“. Bisher hat er 9 Gedichtbände und einige Anthologien veröffentlicht und ist Chefredakteur des „Bad Vilbeler Anzeigers“. Das sind die biografischen Daten, die poetischen Daten im Leben des Dichters möchte ich Ihnen als Essay vorstellen, in dem ich Zeilen aus den Gedichten und Reden des Dichters einfließen ließ, die ich deswegen nicht mit Zitatanfang und Zitatende zitieren möchte.
Es war einmal ein Dichter, zu dessen großen und geheimnisvollen Sicherheiten es gehört, dass er in einer endlosen Steppe geboren und das Land, zwischen Akazien (Salcami) und Albrechtsflor, Arad, Temeswar, Hermannstadt und Bukarest seine Heimat ist, die er erlebt, beschreibt, erinnert. Es war einmal ein Diktator und eine Geschichte. Horst Samson ist 10 Jahre alt, als der Diktator die Macht übernimmt und während er aufwächst, zur Schule geht, studiert, arbeitet, schreibt, publiziert, wird der Diktator immer größer und mächtiger. Irgendwann fühlt er sich zu groß für das kleine Volk, verlangt mehr Untertanen und mehr Untertänigkeit. Die Menschen aber verzweifeln daran. Der Dichter poetisiert das in seiner Nocturne:
Er hat die blumen ausgeblasen und den horizont verbrannt dann erstickte er den rasen (und) wickelte in nacht das land (er) stieß die sänger in die runde (sie) logen uns romanzen vor stunde fraß die andre stunde (und) grünspan legte sich ums tor ging ein haus ging auch das andre nur die bäume blieben steh'n seit der trommler sprach: ich wand're sieht man auch die bäume geh'n – (in seiner Nocturne in Lebraum 1985).
Horst Samson hatte ein russisches Fahrrad, ein Rennrad, mit dem er damals täglich in die Redaktion der Banater Zeitung fuhr, er hörte Nachrichten auf einem portablen russischen Rundfunkgerät Selena. Er hatte eine deutsche Schreibmaschine, Modell Unser Favorit, viel Plastik dran, nichts Besonderes, die Herkunft vom Versandhaus Quelle, auf dem er seine Texte schrieb. Er dichtet über Abschied, Sommer in Albrechtsflor, Nacht im Donaudelta, Temeswarer Nocturne, die Zeit, den Zensor (Kriegserklärung), den Nachtwächter im Dorf, den deutschen Soldat (1941), das Meer, die Krähe, den Sommer, den Regen, den Schnee, über Urmuz, Brancusi, Ingeborg Bachmann, Edda und Elvis. 1978 veröffentlicht er seinen ersten Gedichtband Der blaue Wasserjunge, 1981 folgt Tiefflug. Er publiziert, diskutiert mit Dichterfreunden, debattiert, doch die Verzweiflung weicht nicht und mit dem Lied von Christina Rossetti (1830 - 1894) schreit er sie hinaus:
Und wenn Du willst, vergiss: Den Tod verkauft, Die Götter sind verschenkt Und in den Träumen bleibt das Land Ein tiefes Loch. Vielleicht hätt man uns Besser aufgehängt, Aber es gibt uns noch. Schreibt er 1981.
Mit seinen Gedichte vom Abschied, Untergang, von einer todgeweihten Sozietät praktiziert Samson die ästhetische Revolution, da eine andere nicht möglich schien, er tauscht die Utopie der Freiheit und Selbstbestimmung gegen eine Generalutopie ein, die ihm eine Chance zum Überleben gab. Er prangert an, zwischen den Zeilen, schweigend ohne Worte, nur in Buchstaben auf Papier und lauerte auf die Zensoren, die ihm im Nacken saßen:
Ich ziehe meinen Notizblock aus der Tasche, Ich beginne ein Gedicht zu schreiben, Immer schwerer bewegt sich die Füllfeder Über das Papier. Wir sind da, Notiere ich, Unübersehbar, Unüberhörbar Krebsen wir im Sand. Ich wische mir den Schweiß aus den Augen, Hoch über mir die Sonne, Brennend, Groß Und schön erschreckend Ein Kondensstreifen in der Luft. Laß das lieber, Flüstert mir jemand ins Ohr. Komm wir spielen Traum Und dann reiße ich dir den Kopf ab Und du ratest, wer‘s war. – notiert er in tiefflug, 1981, in rumäniendeutsches Gedicht, das von der Zensur zuerst verboten war und dann doch mit dem allgemeinen Titel gedicht erschienen ist.
Für seine poetische Kreativität erhielt er 1982 den AMG Preis und erklärte sich in seiner Dankesrede:
Verstörungen und Verfestigungen, Bedrängnis und Entsetzen, vom Schlag getroffene Stimmbänder, denen Tag für Tag immer mehr an Sprache geraubt wird. Das macht den Boden meiner Texte aus. In ihnen schaffe ich mir eine Welt, in der ich leben kann, in der ich frei bin, Sprache zu setzen, die es mir ermöglicht, den Verlust von Zukunftsglauben aufzuheben, meine Erfahrung und Erinnerung auf den Nenner der Erfahrung und Erinnerung zu bringen und vorzustoßen, in Richtung jener Generalutopie, die für mich die Chance zum Überleben ausmacht. (Rede zur Verleihung des AMG-Preises in Temeswar, 13. Juni 1982)
1982 erscheint der Gedichtband Reibfläche im Kriterion Verlag, Bukarest.
1982 wurde seine Wohnung in Temeswar von der Securitate durchsucht. Man fand Dokumente, Bücher, Manuskripte. Samson liest Alexander Solschenizyn - Archipel Gulag und Krebsstation; Paul Goma - Ostinato; Sarah Kirsch - Drachensteigen und Rückenwind, Mircea Eliade - Mythen, Träume und Mysterien, Anna Achmatowa - Poem ohne Held, schreibt Lyrik für den Unterricht, man fand Horst Samson-Vorträge, Unterrichtspläne und anderes. Er wird drangsaliert. Die Verzweiflung über die Ohnmacht in der Diktatur hat sich verhärtet und Samson bedichtet sie, denn auf allen Dächern Des Landes verpfeifen die Spatzen Am helllichten Tag Fröhlich ihre Nachbarn (Blätterweise, 1984, S. 73). 1985 erschien auch der letzte Gedichtband in Rumänien, Lebraum im Dacia Verlag in Klausenburg.
Nach dem Erscheinen des Gedichts Nocturne, 1985 erhielt er Veröffentlichungsverbot. Daraufhin geht er in eine Art inneres Exil und sperrt die Wörter in seinen Kopf ein.
Bis 1987. Dann verabschiedet er sich mit seiner Familie aus diesem Land im Zusammenfalten der Zimmerwände – mit den Zeilen für Elvis und Edda und fragte schon fast heiter beim Ausreisen:
Robinson Crusoe raus oder Schuhe Rein? Wir packen Den Koffer und Die Reisetasche. Was nehmen Wir nicht mit, was lassen Wir da?
Im Mai 1987 ließ er am Grenzbahnhof Curtici die Freunde eingefroren zurück. Er wird zum Grenzgänger, literarisch war er es bereits. Er verließ das Land der endlosen Steppe, der horizontfreien Feldern, Flussufern, dem schwarzen Meer, der Gräber seiner Ahnen, und rief ihm noch zu:
Land. Wie du mir schwer im Magen liegst auf meiner Lieb, Magst ruhig sein, jetzt und ich ja auch, Ich habe keines, habe keinen Grund, zu sein, Lieb Vater lande (Lieb Vaterland. Notiz).
Er zog nach Deutschland, in dem er literarisch längst angekommen war.
Es war das historisch Notwendige, das ihn auf den Weg der Hoffnung brachte, die Sprache, sich auszudrücken. War es die Vorahnung auf den Untergang dieser Gesellschaft, die sich in einer Zwangsjacke befand und kein Ausweg daraus sah? Der Zwang zu Schweigen, das Verbot der freien Meinung waren stets Thema seiner Gedichte und ließen ihn auch die letzte Zeit im Weitergeben halber Wörter Hinter vorgehaltener Hand - vielleicht ein Leben Totgelegt, verscharrt im Sand, das sich bewegte noch Auf dem Papier,( versprengt wie wir) (In der Zelle des Exils, 1987/2012, Anthologie Heimat, S. 14).
Das Versprengen des Lebens, es wurde verscharrt und totgelegt und befand sich nur noch auf Papier umfasst die Grundstimmung: Traurigkeit, doch kein Verzagen. Diese Traurigkeit wird vermessen und löst sich auf in Heiterkeit, in der Heiterkeit der Natur mit ihren Landschaften, dem Wind, der Sonne, dem Regen, dem Meer, dem Garten, dem Wind und den Vögeln, denn
Die Zeit fließt Dahin, eine herrliche Ruhe Ist das. Ich Kartiere die Stille, Bereite mich vor, nehme Abschied von Wörtern, Landschaften Vom Schicksal der Vögel Dem Wind. Einmal noch Horche ich tief In die Sonne, ihre Wärme Klingt in mir Wie Musik aus fremden Sphären. (Aus Die Vermessung der Traurigkeit)
Die Natur ist der Anker, das Anlehnelement. Sie wirkt heiter und ist unveränderbar, nicht beeinflussbar. Das macht den Antipoden Samson aus: Traurigkeit und Heiterkeit in einer Zeile! Auch wenn in den Schlusszeilen Mein Kopf, ich spüre es, Ist die Urne Für die Erinnerungen. Es ist niemand mehr da, – steht, so gehen doch Dramatik und Heiterkeit Hand in Hand. Die Zeiten werden obdachlos, die Stimmung verdüstert sich, jeder Tag eine Tretmine. Von Kugeln Verfolgt hetzen Träume über den Bildschirm, Gefangengehaltene Wörter, mit denen niemand spricht. (Obdachlose Zeiten, Anthologie, S. 154)
Wörter, mit denen niemand spricht - die Wörter erhalten menschliche Züge: Sie können sprechen! Sie werden zu Personen. Eine, wie ich finde, besonders schöne poetische Vorstellung! Das Wort wird der Schlüssel zum Glück: Wortspiele, Wendungen, Gedanken, Bilder, Personalisierungen der Dinge machen ihn zum Botschafter der Poesie, der Worte. Stets auf der Suche nach Poesie fand er sie nämlich überall: im Leben, in der Wirklichkeit, in der Natur, im Menschen und den Dingen.
Dramatik und Heiterkeit, Traurigkeit und Humor sind die wichtigen Gegensätze auch in den Gedichten dieses letzten Gedichtbands Kein Schweigen bleibt ungehört, von Horst Samson im Pop-Verlag 2013. Das ungehörte Schweigen? Mein Sohn meinte, als er den Titel las, das gibt es doch gar nicht: Stimmt. Ein Schweigen ist lautlos, ist Verinnerlichung der Wirklichkeit, eine Abkehr. Wer nicht zu schweigen weiß, der weiß auch nicht zu reden, meinte Seneca. Das Schweigen hat der Dichter verinnerlicht, er lässt das Schweigen in Worten erklingen. Die Worte sind lautlos auf dem Papier, da Samson zeitweilig die Worte verlorengegangen sind, sie sind Ausdruck des Verlusts, der Unfreiheit. Wenn seine Dichtung symptomatisch war für seine Zeit, so war es auch sein Aufbruch in eine neue Zeit. Dafür stehen seine Gedichte: stimmungsvoll und präzise, sachlich nüchtern, lyrisch und reimlos - klassisch modern präsentieren sich die 130 Gedichte des Kein Schweigen-Bandes, die nicht chronologisch geordnet, sondern generell und allgemeingültig dastehen.
Besonders gut gefallen mir die Samson‘schen Kanzonen. Im Sinne von Bert Brecht, der nie über sich selbst schreibt, taucht bei Samson das lyrische Ich immer wieder auf. So auch in seinen Kreuzreimen der Kofferlieder und Kanzone, deren Metrum rhythmisch und melodisch klingt:
Hab ein Eisenbett für die Nacht, Liege über meinem Sohn. Hab die Fremde zugemacht, Flüchte in ein Saxophon…Sagt woraus ist der Schlaf gemacht? Möchte mir gerne eine drehen! Hab Zigarettenpapier für eine Nacht Und den Kopf voll Gehen…
Der Leser wird zum Teilnehmer am Leben des Dichters. Eine Art Vergewisserung gegen das Vergessen. Samsons Gedichte für seine Frau Edda, seinen Sohn Elvis, seine Freunde, Eltern, Dichter und Dinge, die teils hüben und drüben entstanden sind, bilden das Mosaik eines Dichterlebens. Das Gedicht Pünktlicher Lebenslauf, dessen Vorgeschichte als Essay in diesem Gedichtband veröffentlicht ist, ist seinem Vater, Martin Samson gewidmet, dem einstigen SS-Soldaten-Heimkehrer der Nordland-Panzerdivision auf einer schwarzen NSU. Die Erzählung Die Endlosschleife schließt diesen Gedichtband ab. Das Foto des Vaters auf der NSU wird zum Symbol dieses zweideutigen Seins zwischen Dramatik und Heiterkeit zugleich: der junge Soldat, der trotz Krieg, Deportation, Entfremdung von der Heimat glücklich und traurig zugleich auf seinem Motorrad sitzt.
Samson ist der Dichter der Traurigkeit und Hoffnung zugleich, denn seine Message in Nachricht I lautet: Gedichte Sind ein Zuhause Für alle Die keins haben. (S. 126)
Gedichte sind sein Zuhause und dieses wollen wir nun gemeinsam mit dem Dichter besuchen! Mit diesen schönen Gedichtzeilen, die wir alle verinnerlichen können, möchte ich die poetische Geschichte über Horst Samson beenden und danke für Ihre Aufmerksamkeit.
(Katharina Kilzer am 8. Februar 2014 in Frankfurt am Main)