General a.D. Harald Kujat am 15.11.2025:IX: Unterschied zwischen den Versionen
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Das Ergebnis und der damit verbundene Verfassungsbruch wurden 14 Jahre hingenommen. Nun soll diese gravierende Fehlentwicklung korrigiert werden. Es ist jedoch nicht notwendig, den Kurswechsel mit einer Bedrohung zu rechtfertigen. Es reicht zu tun, was die Verfassung verlangt. Am besten, indem wir dazu beitragen, dass in Europa ein militärisches Gleichgewicht entsteht, denn dann verspürt niemand das Verlangen, einen Angriffskrieg zu wagen. | |||
Um den Verfassungsauftrag zur Landes- und Bündnisverteidigung erfüllen zu können, muss die Bundeswehr über einen angemessenen Friedens- und Verteidigungsumfang, aufwuchsfähige Streitkräftestrukturen und eine moderne Ausrüstung und Bewaffnung verfügen. | |||
Ohne die Wiedereinsetzung der Wehrpflicht ist dies ausgeschlossen. Denn in der Vergangenheit wurden immer zwischen 50 und 60 Prozent des Regegenerationsbedarfs an länger dienenden Soldaten aus dem Wehrpflichtaufkommen gewonnen. Auch der Bedarf an Reservisten für den Aufwuchs zum Verteidigungsumfang kann nur durch die Wehrpflicht gedeckt werden. In Artikel 12a des Grundgesetzes heißt es zwar, „Männer können vom vollendeten achtzehnten Lebensjahr an zum Dienst in den Streitkräften … verpflichtet werden.“ Aber das Bundesverfassungsgericht hat 1970 entschieden, dass die allgemeine Wehrpflicht durch das Grundgesetz als verfassungsrechtliche Pflicht normiert ist und zu den vom Bürger hinzunehmenden öffentlichen Lasten im Rahmen der freiheitlich-demokratischen Grundordnung gehört. | |||
Deshalb frage ich mich, wie die erforderliche Zahl an freiwillig Wehrdienst leistenden Bewerbern erreicht werden soll, wenn der Eindruck sich immer mehr verfestigt, dass sich diese jungen Soldaten bereits kurz nach ihrem Eintritt in die Bundeswehr in einem Schützengraben wiederfinden. Ich rege auch an darüber nachzudenken, ob wir alles richtig machen, wenn die Verteidigungsfähigkeit erst 2035 erreicht werden soll, der Feind jedoch – wie es heißt - schon morgen angreifen könnte. Merkwürde, dass die Politik diesen Widerspruch nicht aufzulösen vermag. | |||
Deshalb möchte ich betonen, dass ein Gleichgewicht der Kräfte zwar eine notwendige, aber keine hinreichende Voraussetzung für Frieden ist. Ein militärisches Gleichgewicht muss politisch stabilisiert werden, indem man mit der anderen Seite redet, um ihre Interessen, Absichten und Fähigkeiten besser einschätzen zu können. Hinzukommen müssen Abrüstungsverträge, Rüstungskontrolle und vertrauensbildende militärische Maßnahmen mit dem Ziel eines Gleichgewichts auf möglichst niedrigem Niveau. Dadurch werden politische Verhältnisse geschaffen, die – wie es Helmut Schmidt formulierte – die Vorhersehbarkeit des politischen Handelns ermöglichen. Also genau das, was wir in der gegenwärtigen Situation so dringend brauchen. | |||
Das Problem der deutschen Politik besteht darin, diesen Zusammenhang nicht zu sehen. Sonst hätte sich die deutsche Außenpolitik längst das Ende des Ukrainekrieges durch Friedensverhandlungen sowie eine gerechte und dauerhafte europäische Sicherheits- und Friedensordnung als vorrangige Ziele gesetzt. | |||
Unser Grundgesetz ist eine Friedensverfassung: Und es sind drei Säulen, auf denen die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik stehen müsste, und an die jede Bundesregierung gebunden ist. | |||
Bereits die Präambel des Grundgesetzes weist den handelnden Politikern die Richtung: Deutschland soll „als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt dienen.“ | |||
In Art. 24 Abs. 2 GG wird sogar die Mitgliedschaft in der Nordatlantischen Allianz an eine Bedingung geknüpft, der die Bundesregierung bei der Mitwirkung an Entscheidungen der NATO Rechnung tragen müsste: Es heißt, „der Bund kann sich zur Wahrung des Friedens einem System gegenseitiger kollektiver Sicherheit einordnen“. | |||
Und Art. 87a, Abs.1 bestimmt knapp und unmissverständlich: „Der Bund stellt Streitkräfte zur Verteidigung auf.“ Es heißt nicht, der Bund stellt Streitkräfte für den Krieg auf. Der Begriff „kriegstüchtig“ ist ambivalent und sowohl für einen Verteidigungs- als auch einen Angriffskrieg anwendbar. Die Verfassung ist jedoch glasklar, denn die Ergänzung in Abs. 2 lautet: „Außer zur Verteidigung dürfen die Streitkräfte nur eingesetzt werden, soweit dieses Grundgesetz es ausdrücklich zulässt.“ | |||
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Aktuelle Version vom 20. November 2025, 13:44 Uhr

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General a.D. Harald Kujat: „Für ein Kriegsende und eine europäische Sicherheits- und Friedensordnung“ |
Das Ergebnis und der damit verbundene Verfassungsbruch wurden 14 Jahre hingenommen. Nun soll diese gravierende Fehlentwicklung korrigiert werden. Es ist jedoch nicht notwendig, den Kurswechsel mit einer Bedrohung zu rechtfertigen. Es reicht zu tun, was die Verfassung verlangt. Am besten, indem wir dazu beitragen, dass in Europa ein militärisches Gleichgewicht entsteht, denn dann verspürt niemand das Verlangen, einen Angriffskrieg zu wagen.
Um den Verfassungsauftrag zur Landes- und Bündnisverteidigung erfüllen zu können, muss die Bundeswehr über einen angemessenen Friedens- und Verteidigungsumfang, aufwuchsfähige Streitkräftestrukturen und eine moderne Ausrüstung und Bewaffnung verfügen.
Ohne die Wiedereinsetzung der Wehrpflicht ist dies ausgeschlossen. Denn in der Vergangenheit wurden immer zwischen 50 und 60 Prozent des Regegenerationsbedarfs an länger dienenden Soldaten aus dem Wehrpflichtaufkommen gewonnen. Auch der Bedarf an Reservisten für den Aufwuchs zum Verteidigungsumfang kann nur durch die Wehrpflicht gedeckt werden. In Artikel 12a des Grundgesetzes heißt es zwar, „Männer können vom vollendeten achtzehnten Lebensjahr an zum Dienst in den Streitkräften … verpflichtet werden.“ Aber das Bundesverfassungsgericht hat 1970 entschieden, dass die allgemeine Wehrpflicht durch das Grundgesetz als verfassungsrechtliche Pflicht normiert ist und zu den vom Bürger hinzunehmenden öffentlichen Lasten im Rahmen der freiheitlich-demokratischen Grundordnung gehört.
Deshalb frage ich mich, wie die erforderliche Zahl an freiwillig Wehrdienst leistenden Bewerbern erreicht werden soll, wenn der Eindruck sich immer mehr verfestigt, dass sich diese jungen Soldaten bereits kurz nach ihrem Eintritt in die Bundeswehr in einem Schützengraben wiederfinden. Ich rege auch an darüber nachzudenken, ob wir alles richtig machen, wenn die Verteidigungsfähigkeit erst 2035 erreicht werden soll, der Feind jedoch – wie es heißt - schon morgen angreifen könnte. Merkwürde, dass die Politik diesen Widerspruch nicht aufzulösen vermag.
Deshalb möchte ich betonen, dass ein Gleichgewicht der Kräfte zwar eine notwendige, aber keine hinreichende Voraussetzung für Frieden ist. Ein militärisches Gleichgewicht muss politisch stabilisiert werden, indem man mit der anderen Seite redet, um ihre Interessen, Absichten und Fähigkeiten besser einschätzen zu können. Hinzukommen müssen Abrüstungsverträge, Rüstungskontrolle und vertrauensbildende militärische Maßnahmen mit dem Ziel eines Gleichgewichts auf möglichst niedrigem Niveau. Dadurch werden politische Verhältnisse geschaffen, die – wie es Helmut Schmidt formulierte – die Vorhersehbarkeit des politischen Handelns ermöglichen. Also genau das, was wir in der gegenwärtigen Situation so dringend brauchen.
Das Problem der deutschen Politik besteht darin, diesen Zusammenhang nicht zu sehen. Sonst hätte sich die deutsche Außenpolitik längst das Ende des Ukrainekrieges durch Friedensverhandlungen sowie eine gerechte und dauerhafte europäische Sicherheits- und Friedensordnung als vorrangige Ziele gesetzt.
Unser Grundgesetz ist eine Friedensverfassung: Und es sind drei Säulen, auf denen die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik stehen müsste, und an die jede Bundesregierung gebunden ist.
Bereits die Präambel des Grundgesetzes weist den handelnden Politikern die Richtung: Deutschland soll „als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt dienen.“
In Art. 24 Abs. 2 GG wird sogar die Mitgliedschaft in der Nordatlantischen Allianz an eine Bedingung geknüpft, der die Bundesregierung bei der Mitwirkung an Entscheidungen der NATO Rechnung tragen müsste: Es heißt, „der Bund kann sich zur Wahrung des Friedens einem System gegenseitiger kollektiver Sicherheit einordnen“.
Und Art. 87a, Abs.1 bestimmt knapp und unmissverständlich: „Der Bund stellt Streitkräfte zur Verteidigung auf.“ Es heißt nicht, der Bund stellt Streitkräfte für den Krieg auf. Der Begriff „kriegstüchtig“ ist ambivalent und sowohl für einen Verteidigungs- als auch einen Angriffskrieg anwendbar. Die Verfassung ist jedoch glasklar, denn die Ergänzung in Abs. 2 lautet: „Außer zur Verteidigung dürfen die Streitkräfte nur eingesetzt werden, soweit dieses Grundgesetz es ausdrücklich zulässt.“
Links
- Vertragsentwurf von Istanbul 2022 in der NYT vom 15.6.2024
- From Zelenskyy's "surrender" to Putin's surrender: how the negotiations with Russia are going, Roman Romaniuk in der Ukrainska Pravda vom 5. Mai 2022
- Possibility of talks between Zelenskyy and Putin came to a halt after Johnson’s visit - UP sources, Iryna Balachuk und Roman Romaniuk in der Ukrainska Pravda vom 5. Mai 2022
Anmerkungen
Dieser Vortrag, gehalten am 15. November 2025 im Haus der Begegnung zu Heidelberg, erscheint auf Phenixxenia.org mit freundlicher Unterstützung des Autors und Referenten General a.D. Harald Kujat.
- Es gilt das gesprochene Wort -