General a.D. Harald Kujat am 15.11.2025:VI: Unterschied zwischen den Versionen

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Wolf-Dieter Batz (Diskussion | Beiträge)
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Ich war nach dem Trump/Putin-Treffen in Anchorage optimistisch, dass es Fortschritte auf dem Weg zu Friedensverhandlungen geben wird, nachdem Trump der Diplomatie wieder Vorrang vor der ziellosen Fortsetzung des Kriegs gab. Ich bin auch nach wie vor davon überzeugt, dass Trump seine Vermittlerrolle nicht aufgeben wird und Putin den Krieg mit einem Friedensvertrag beenden will.
Im Gegensatz zu seiner bisherigen Position, die Ukraine müsse für einen Friedensvertrag mit Russland Territorium aufgeben, schrieb Trump allerdings vor einiger Zeit auf seiner Plattform "Truth Social“ nach einem Gespräch mit Selenskyj am Rande der UN-Generalversammlung: "Ich denke, dass die Ukraine mit Unterstützung der Europäischen Union in der Lage ist, die gesamte Ukraine in ihrer ursprünglichen Form zurückzugewinnen.“
Das klingt so, als handelte es sich um Selenskyjs Worte. Ich halte das für realitätsfern. Zumal die USA sich aus diesem Stellvertreterkrieg zurückziehen und die Verantwortung für die weitere Unterstützung der Ukraine und damit auch für eine militärische Niederlage von den Europäern zu tragen ist. Der Stellvertreterkrieg Russland-USA wird somit zu einem Stellvertreterkrieg Russland-Europa.
Trump hat seine Meinung mehrfach geändert und wird das auch künftig tun. Aus seinen Worten spricht eine gehörige Portion Frustration. Offenbar um den Druck auf Russland wegen mangelnder Fortschritte auf dem Weg zu einem Frieden weiter zu erhöhen, hatte Präsident Trump die Lieferung von Marschflugkörpern des Typs Tomahawk mit einer Reichweite von 2500 km an die Ukraine nicht ausgeschlossen. Dies wäre allerdings – wie Trump es formulierte – «ein neuer Schritt der Aggression». Putin warnte, die Lieferung würde eine «völlig neue und qualitativ andere Eskalationsstufe einleiten und die Beziehungen zwischen Moskau und Washington nachhaltig beschädigen.»
Dann trafen sich Trump und Selenskyj, der nach Washington gereist war, um die Freigabe der Tomahawk-Marschflugkörper für Angriffe auf Ziele tief in Russland zu erreichen. Er erhielt keine Zusage. Trump hatte verstanden, dass die Lieferung von Tomahawk-Marschflugkörpern eine qualitativ neue Eskalationsstufe wäre, zumal die ukrainischen Streitkräfte für den Einsatz auf die aktive Unterstützung amerikanischer Spezialisten angewiesen wären. Entscheidend ist jedoch: Die Tomahawks können die strategische Lage ebenso wenig zu Gunsten der Ukraine ändern wie die bisher gelieferten westlichen Waffensysteme. Außerdem gibt es nur eine kleine Zahl bodengestützter Systeme und die amerikanischen Streitkräfte halten immer einen ausreichenden Verfügungsbestand für eigene Einsätze zurück. Deshalb bin ich skeptisch, dass die Ukraine diese Waffe erhält.
Trump konzentrierte sich bei dem Gespräch mit Selenskyj auf den Verhandlungsweg. Einen Tag zuvor hatte Putin in einem Telefongespräch mit Trump angeblich gefordert, dass die Ukraine die vollständige Kontrolle über die Regionen Luhansk und Donezk abgibt. Russland sei bereit, Teile der Regionen Saporischschja und Cherson aufzugeben. Trump soll Selenskyj nachdrücklich aufgefordert haben, diese Forderung zu akzeptieren. Er warnte, dass die Ukraine eine vernichtende militärische Niederlage erleiden könnte, wenn es keine Einigung gebe, Selenskyj hatte dagegen erneut anhand von Karten einen Waffenstillstand entlang dem Frontverlauf gefordert. Nach dem Gespräch mit Selenskyj forderte Trump dann doch ein Ende der Kampfhandlungen und das Einfrieren der aktuellen Frontlinie.
Selenskyj und die europäischen Staatschefs haben immer für einen Waffenstillstand vor Friedensverhandlungen plädiert, was Trump bisher brüsk abgelehnt hatte. Offenbar waren sich Trump und Putin bereits in Anchorage einig, den Umweg über einen Waffenstillstand zu vermeiden und dass direkt Verhandlungen aufgenommen werden. Der russische Außenminister behauptet sogar, dort hätten die USA erklärt, dafür sorgen zu können, „dass Selenskyj die Friedensbemühungen nicht blockieren“ würde. Ich halte Trumps Meinungsänderung deshalb für einen taktischen Kurswechsel, um Selenskyj einzubinden.
Russland besteht weiter darauf, dass ein Waffenstillstand erst dann zustande kommt, wenn zuvor zwischen den Kriegsparteien verbindliche Regeln für dessen Einhaltung vereinbart wurden. Eine Feuerpause ohne verbindliche Regeln ist sehr brüchig, denn jederzeit besteht die Gefahr, dass schon kleinste Zwischenfälle zur Wiederaufnahme der Kampfhandlungen führen und anschließend ein noch größeres Misstrauen herrscht als zuvor, das die Aufnahme von Verhandlungen erschwert.
Für den gegenwärtigen Stillstand in den Friedensbemühungen ist jedoch die Verhärtung der Positionen beider Kriegsparteien verantwortlich. So oder so gab es keine Grundlage mehr für eine Begegnung zwischen Trump und Putin, weshalb diese abgesagt wurde. Seit dem Treffen Orbans mit Trump vor ein paar Tagen wissen wir jedoch, dass die Absage des Budapester Gipfels nicht das Ende der Friedensbemühungen bedeutet. Denn danach bestätigte Trump, dass er an einem Treffen mit Putin in Budapest festhält.
Die russischen Streitkräfte versuchen nach dem Aussetzen weiterer Gespräche, so viel ukrainisches Territorium wie möglich unter ihre Kontrolle zu bringen. Denn dies stärkt bei nächsten Gesprächsrunden, die es früher oder später geben wird, die Position Russlands. Aber das muss keineswegs bedeuten, dass die russische Regierung nicht mehr verhandeln will. Immerhin haben die Russen weiteren Gesprächen keine grundsätzliche Absage erteilt.
Dass Trump nun erstmals Sanktionen gegen Russland verhängt hat, ist ein starkes Signal an Putin. Gleichwohl ändert das nichts an der grundlegenden Haltung des US-Präsidenten, den Krieg auf jeden Fall beenden zu wollen. Dazu passt, dass auch Selenskyj zuletzt erkennen ließ, dass er zu direkten Friedensgesprächen bereit ist und einen vorherigen Waffenstillstand nicht mehr als Voraussetzung für Verhandlungen ansieht. Interessant ist, dass in die Positionen beider Kriegsparteien Bewegung gekommen ist.
Interessant ist auch, dass die amerikanische Regierung ihre nach dem Ausbruch des Ukrainekriegs nach Europa entsandten Verstärkungen wieder reduzieren. In Rumänien, zum Beispiel, sollte eine Basis für 10.000 Soldaten errichtet werden. Dazu wird es nun nicht kommen. Das ist eindeutig ein Zeichen der Entspannung, das von den Amerikanern gesendet wird. Und es ist auch ein Indiz, dass die USA die europäischen Annahmen eines baldigen russischen Angriffs gegen die NATO nicht teilen.
Die Tragik der Ukraine besteht darin, dass sie während des gesamten Krieges immer wieder an eine Wegscheide kam, wo sie den Weg des Friedens hätte einschlagen können, aber die Chance nicht nutzte. Nun könnte sich eine neue Gelegenheit ergeben, das Leid der Menschen und die Zerstörung des Landes zu beenden – vielleicht die letzte.
Denn angesichts der Positionsänderungen beider Kriegsparteien könnte sich eine positive Perspektive ergeben, gelänge es, die beiden Kernprobleme in Friedensverhandlungen zu lösen: Die Aufgabe ukrainischen Territoriums und eine NATO-Mitgliedschaft. Russland hat bisher gefordert, dass alle vier Regionen – Luhansk, Donezk, Saporischschja und Cherson - einschließlich der noch von den ukrainischen Streitkräften gehaltenen Gebiete unter russische Kontrolle kommen. Insofern ist der Vorschlag Putins, dass nur die beiden Donbas-Regionen Luhansk und Donezk aufgegeben werden sollen und Russland Teile der beiden anderen Gebiete zurückgibt, eine bemerkenswerte Entwicklung. Denn Luhansk und Donezk haben sich im April 2014 zu unabhängigen Volksrepubliken erklärt und darüber Referenden abhalten lassen, die eine Zustimmung von 89 beziehungsweise 96 Prozent ergaben. Nach dem Minsk II-Abkommen von 2015 sollten sie einen Sonderstatus erhalten.
Wäre Russland bereit, die Eingliederung beider Regionen in die Russische Föderation vom 30. September 2022 rückgängig zu machen und die Ukraine deren Unabhängigkeit anerkennen, könnte dies ein einigungsfähiger Kompromiss sein. Die ukrainische Verfassung schützt zwar das Staatsgebiet, lässt aber Gebietsabtretungen nach einem Referendum zu. Die beiden Regionen könnten zudem unter UN-Treuhandverwaltung gestellt werden, ein bewährtes Mittel, Gebiete nach Kriegen unter internationaler Aufsicht zur Selbstbestimmung zu führen. Aus fast allen bisherigen UN-Treuhandgebieten wurden unabhängige Staaten.
Für einen NATO-Betritt erfüllt die Ukraine weder die Voraussetzungen noch gibt es einen Konsens, sie dazu einzuladen. Das ukrainische Parlament nahm 1996 die heutige Verfassung an. Wie es in der Präambel heißt, auf der Grundlage der Souveränitätserklärung vom 16. Juli 1990 und der Unabhängigkeitserklärung vom 19. August 1991, der kurz danach in einem Referendum über 90 Prozent der Bevölkerung zustimmten. Darin wurde festgeschrieben: Keine Mitgliedschaft in Militärblöcken, ständige Neutralität und Verzicht auf Kernwaffen. Das bedeutet, kein NATO-Betritt und keine fremden Truppen auf dem Territorium der Ukraine.
Allerdings müssten beide Seiten zu diesem Kompromiss bereit sein. Da der Ukrainekrieg unter anderem die geopolitischen Handlungsmöglichkeiten Russlands erheblich einschränkt, stimmt es wohl auch, dass Russland den Krieg beenden will, wie Trump sagt. Deshalb kommt es jetzt auch auf die Europäer an. Sie sollten im engen Schulterschluss mit der amerikanischen Regierung der Diplomatie ebenfalls eine Chance geben. Die europäischen Regierungen dürfen nicht noch einmal den Zug in Richtung Frieden verpassen. Sie könnten in einer Fortsetzung des Krieges als Stellvertreterkrieg Europa-Russland nicht bestehen. Die Gefahr der Ausweitung des Ukrainekrieges zu einem großen europäischen Krieg darf deshalb nicht länger verdrängt werden.
Schließlich gibt es ohne Russland keine europäische Sicherheits- und Friedensordnung. Wir haben die Chance der Charta von Paris verspielt. Das darf nicht noch einmal passieren. Voraussetzung ist jedoch eine gerechte und dauerhafte Friedensregelung, die den Sicherheitsinteressen der Ukraine und Russlands entspricht und die Ursachen künftiger Konflikte beseitigt.


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Aktuelle Version vom 20. November 2025, 13:26 Uhr

General a.D. Harald Kujat

General a.D. Harald Kujat: „Für ein Kriegsende und eine europäische Sicherheits- und Friedensordnung“

Ich war nach dem Trump/Putin-Treffen in Anchorage optimistisch, dass es Fortschritte auf dem Weg zu Friedensverhandlungen geben wird, nachdem Trump der Diplomatie wieder Vorrang vor der ziellosen Fortsetzung des Kriegs gab. Ich bin auch nach wie vor davon überzeugt, dass Trump seine Vermittlerrolle nicht aufgeben wird und Putin den Krieg mit einem Friedensvertrag beenden will.

Im Gegensatz zu seiner bisherigen Position, die Ukraine müsse für einen Friedensvertrag mit Russland Territorium aufgeben, schrieb Trump allerdings vor einiger Zeit auf seiner Plattform "Truth Social“ nach einem Gespräch mit Selenskyj am Rande der UN-Generalversammlung: "Ich denke, dass die Ukraine mit Unterstützung der Europäischen Union in der Lage ist, die gesamte Ukraine in ihrer ursprünglichen Form zurückzugewinnen.“

Das klingt so, als handelte es sich um Selenskyjs Worte. Ich halte das für realitätsfern. Zumal die USA sich aus diesem Stellvertreterkrieg zurückziehen und die Verantwortung für die weitere Unterstützung der Ukraine und damit auch für eine militärische Niederlage von den Europäern zu tragen ist. Der Stellvertreterkrieg Russland-USA wird somit zu einem Stellvertreterkrieg Russland-Europa.

Trump hat seine Meinung mehrfach geändert und wird das auch künftig tun. Aus seinen Worten spricht eine gehörige Portion Frustration. Offenbar um den Druck auf Russland wegen mangelnder Fortschritte auf dem Weg zu einem Frieden weiter zu erhöhen, hatte Präsident Trump die Lieferung von Marschflugkörpern des Typs Tomahawk mit einer Reichweite von 2500 km an die Ukraine nicht ausgeschlossen. Dies wäre allerdings – wie Trump es formulierte – «ein neuer Schritt der Aggression». Putin warnte, die Lieferung würde eine «völlig neue und qualitativ andere Eskalationsstufe einleiten und die Beziehungen zwischen Moskau und Washington nachhaltig beschädigen.»

Dann trafen sich Trump und Selenskyj, der nach Washington gereist war, um die Freigabe der Tomahawk-Marschflugkörper für Angriffe auf Ziele tief in Russland zu erreichen. Er erhielt keine Zusage. Trump hatte verstanden, dass die Lieferung von Tomahawk-Marschflugkörpern eine qualitativ neue Eskalationsstufe wäre, zumal die ukrainischen Streitkräfte für den Einsatz auf die aktive Unterstützung amerikanischer Spezialisten angewiesen wären. Entscheidend ist jedoch: Die Tomahawks können die strategische Lage ebenso wenig zu Gunsten der Ukraine ändern wie die bisher gelieferten westlichen Waffensysteme. Außerdem gibt es nur eine kleine Zahl bodengestützter Systeme und die amerikanischen Streitkräfte halten immer einen ausreichenden Verfügungsbestand für eigene Einsätze zurück. Deshalb bin ich skeptisch, dass die Ukraine diese Waffe erhält.

Trump konzentrierte sich bei dem Gespräch mit Selenskyj auf den Verhandlungsweg. Einen Tag zuvor hatte Putin in einem Telefongespräch mit Trump angeblich gefordert, dass die Ukraine die vollständige Kontrolle über die Regionen Luhansk und Donezk abgibt. Russland sei bereit, Teile der Regionen Saporischschja und Cherson aufzugeben. Trump soll Selenskyj nachdrücklich aufgefordert haben, diese Forderung zu akzeptieren. Er warnte, dass die Ukraine eine vernichtende militärische Niederlage erleiden könnte, wenn es keine Einigung gebe, Selenskyj hatte dagegen erneut anhand von Karten einen Waffenstillstand entlang dem Frontverlauf gefordert. Nach dem Gespräch mit Selenskyj forderte Trump dann doch ein Ende der Kampfhandlungen und das Einfrieren der aktuellen Frontlinie.

Selenskyj und die europäischen Staatschefs haben immer für einen Waffenstillstand vor Friedensverhandlungen plädiert, was Trump bisher brüsk abgelehnt hatte. Offenbar waren sich Trump und Putin bereits in Anchorage einig, den Umweg über einen Waffenstillstand zu vermeiden und dass direkt Verhandlungen aufgenommen werden. Der russische Außenminister behauptet sogar, dort hätten die USA erklärt, dafür sorgen zu können, „dass Selenskyj die Friedensbemühungen nicht blockieren“ würde. Ich halte Trumps Meinungsänderung deshalb für einen taktischen Kurswechsel, um Selenskyj einzubinden.

Russland besteht weiter darauf, dass ein Waffenstillstand erst dann zustande kommt, wenn zuvor zwischen den Kriegsparteien verbindliche Regeln für dessen Einhaltung vereinbart wurden. Eine Feuerpause ohne verbindliche Regeln ist sehr brüchig, denn jederzeit besteht die Gefahr, dass schon kleinste Zwischenfälle zur Wiederaufnahme der Kampfhandlungen führen und anschließend ein noch größeres Misstrauen herrscht als zuvor, das die Aufnahme von Verhandlungen erschwert.

Für den gegenwärtigen Stillstand in den Friedensbemühungen ist jedoch die Verhärtung der Positionen beider Kriegsparteien verantwortlich. So oder so gab es keine Grundlage mehr für eine Begegnung zwischen Trump und Putin, weshalb diese abgesagt wurde. Seit dem Treffen Orbans mit Trump vor ein paar Tagen wissen wir jedoch, dass die Absage des Budapester Gipfels nicht das Ende der Friedensbemühungen bedeutet. Denn danach bestätigte Trump, dass er an einem Treffen mit Putin in Budapest festhält.

Die russischen Streitkräfte versuchen nach dem Aussetzen weiterer Gespräche, so viel ukrainisches Territorium wie möglich unter ihre Kontrolle zu bringen. Denn dies stärkt bei nächsten Gesprächsrunden, die es früher oder später geben wird, die Position Russlands. Aber das muss keineswegs bedeuten, dass die russische Regierung nicht mehr verhandeln will. Immerhin haben die Russen weiteren Gesprächen keine grundsätzliche Absage erteilt.

Dass Trump nun erstmals Sanktionen gegen Russland verhängt hat, ist ein starkes Signal an Putin. Gleichwohl ändert das nichts an der grundlegenden Haltung des US-Präsidenten, den Krieg auf jeden Fall beenden zu wollen. Dazu passt, dass auch Selenskyj zuletzt erkennen ließ, dass er zu direkten Friedensgesprächen bereit ist und einen vorherigen Waffenstillstand nicht mehr als Voraussetzung für Verhandlungen ansieht. Interessant ist, dass in die Positionen beider Kriegsparteien Bewegung gekommen ist.

Interessant ist auch, dass die amerikanische Regierung ihre nach dem Ausbruch des Ukrainekriegs nach Europa entsandten Verstärkungen wieder reduzieren. In Rumänien, zum Beispiel, sollte eine Basis für 10.000 Soldaten errichtet werden. Dazu wird es nun nicht kommen. Das ist eindeutig ein Zeichen der Entspannung, das von den Amerikanern gesendet wird. Und es ist auch ein Indiz, dass die USA die europäischen Annahmen eines baldigen russischen Angriffs gegen die NATO nicht teilen.

Die Tragik der Ukraine besteht darin, dass sie während des gesamten Krieges immer wieder an eine Wegscheide kam, wo sie den Weg des Friedens hätte einschlagen können, aber die Chance nicht nutzte. Nun könnte sich eine neue Gelegenheit ergeben, das Leid der Menschen und die Zerstörung des Landes zu beenden – vielleicht die letzte.

Denn angesichts der Positionsänderungen beider Kriegsparteien könnte sich eine positive Perspektive ergeben, gelänge es, die beiden Kernprobleme in Friedensverhandlungen zu lösen: Die Aufgabe ukrainischen Territoriums und eine NATO-Mitgliedschaft. Russland hat bisher gefordert, dass alle vier Regionen – Luhansk, Donezk, Saporischschja und Cherson - einschließlich der noch von den ukrainischen Streitkräften gehaltenen Gebiete unter russische Kontrolle kommen. Insofern ist der Vorschlag Putins, dass nur die beiden Donbas-Regionen Luhansk und Donezk aufgegeben werden sollen und Russland Teile der beiden anderen Gebiete zurückgibt, eine bemerkenswerte Entwicklung. Denn Luhansk und Donezk haben sich im April 2014 zu unabhängigen Volksrepubliken erklärt und darüber Referenden abhalten lassen, die eine Zustimmung von 89 beziehungsweise 96 Prozent ergaben. Nach dem Minsk II-Abkommen von 2015 sollten sie einen Sonderstatus erhalten.

Wäre Russland bereit, die Eingliederung beider Regionen in die Russische Föderation vom 30. September 2022 rückgängig zu machen und die Ukraine deren Unabhängigkeit anerkennen, könnte dies ein einigungsfähiger Kompromiss sein. Die ukrainische Verfassung schützt zwar das Staatsgebiet, lässt aber Gebietsabtretungen nach einem Referendum zu. Die beiden Regionen könnten zudem unter UN-Treuhandverwaltung gestellt werden, ein bewährtes Mittel, Gebiete nach Kriegen unter internationaler Aufsicht zur Selbstbestimmung zu führen. Aus fast allen bisherigen UN-Treuhandgebieten wurden unabhängige Staaten.

Für einen NATO-Betritt erfüllt die Ukraine weder die Voraussetzungen noch gibt es einen Konsens, sie dazu einzuladen. Das ukrainische Parlament nahm 1996 die heutige Verfassung an. Wie es in der Präambel heißt, auf der Grundlage der Souveränitätserklärung vom 16. Juli 1990 und der Unabhängigkeitserklärung vom 19. August 1991, der kurz danach in einem Referendum über 90 Prozent der Bevölkerung zustimmten. Darin wurde festgeschrieben: Keine Mitgliedschaft in Militärblöcken, ständige Neutralität und Verzicht auf Kernwaffen. Das bedeutet, kein NATO-Betritt und keine fremden Truppen auf dem Territorium der Ukraine.

Allerdings müssten beide Seiten zu diesem Kompromiss bereit sein. Da der Ukrainekrieg unter anderem die geopolitischen Handlungsmöglichkeiten Russlands erheblich einschränkt, stimmt es wohl auch, dass Russland den Krieg beenden will, wie Trump sagt. Deshalb kommt es jetzt auch auf die Europäer an. Sie sollten im engen Schulterschluss mit der amerikanischen Regierung der Diplomatie ebenfalls eine Chance geben. Die europäischen Regierungen dürfen nicht noch einmal den Zug in Richtung Frieden verpassen. Sie könnten in einer Fortsetzung des Krieges als Stellvertreterkrieg Europa-Russland nicht bestehen. Die Gefahr der Ausweitung des Ukrainekrieges zu einem großen europäischen Krieg darf deshalb nicht länger verdrängt werden.

Schließlich gibt es ohne Russland keine europäische Sicherheits- und Friedensordnung. Wir haben die Chance der Charta von Paris verspielt. Das darf nicht noch einmal passieren. Voraussetzung ist jedoch eine gerechte und dauerhafte Friedensregelung, die den Sicherheitsinteressen der Ukraine und Russlands entspricht und die Ursachen künftiger Konflikte beseitigt.

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Anmerkungen

Dieser Vortrag, gehalten am 15. November 2025 im Haus der Begegnung zu Heidelberg, erscheint auf Phenixxenia.org mit freundlicher Unterstützung des Autors und Referenten General a.D. Harald Kujat.
- Es gilt das gesprochene Wort -